Beagle von der Theresienhöhe

- to be different makes the difference -


Angst und Furcht beim Hund


Foto: S. Strodtbeck

Überall liest man von ­„Angsthunden“. Aber nicht alles, was ­gemeinhin als Angst bezeichnet wird, ist es verhaltens­biologisch auch. Was also ist Angst? Ist sie immer negativ? Welche ­Formen von Angststörungen gibt es? Und ­natürlich: was kann man dagegen tun?

 

Zunächst einmal muss man klarstellen, dass Angst nicht per se eine Störung, sondern zunächst einfach nur eine Emotion ist und ein überlebensnotwendiger, die Sinne schärfender Schutzmechanismus. Hat ein Individuum zu wenig oder gar keine Angst, werden unter Umständen reale Gefahren und Risiken ausgeblendet und man bringt sich in Gefahr. Andererseits wiederum blockiert zu viel Angst das Handeln. Die Dosis macht also auch hier das Gift, und die „Alarmanlage Angst“ ist sehr empfindlich eingestellt, weil der Energieaufwand für eine Flucht in der Regel wesentlich geringer ist als die Folgen einer übersehenen Bedrohung. Wie bei jeder Alarmanlage kann es also zu Fehlalarmen kommen.

 

In der Verhaltensbiologie wird, im Gegensatz zur Psychologie, zudem ­zwischen Angst und Furcht unterschieden. Während die Furcht auf eine konkrete Situation oder ein konkretes Objekt bezogen ist, ist die Angst objekt- und situationsungebunden. Das ist bei Weitem keine reine Begriffsklauberei, denn der Umgang mit beidem ist unterschiedlich. Hat ein Hund Furcht vor zum Beispiel einer Mülltonne, hat er auch ganz konkrete Handlungsmöglichkeiten: er kann kämpfen oder flüchten, genau wie wir, wenn wir uns vor einer Spinne an der Wand fürchten und entweder schreiend zum Nachbarn flüchten oder wagemutig zum Staubsauger, Glas oder dicken Buch greifen können. Bei der Angst ist das anders: auch ohne Spinne an der Wand scannen wir die Wände ab und spüren förmlich das Krabbeln in unserem Nacken – obwohl da nichts ist. Wir haben Angst! Entsprechend ist auch die Therapie bei Angst viel schwieriger als bei Furcht: Bei Ersterem bleiben nur allgemeine Stabilisierungsmaß­nahmen, während man bei einer konkreten Furcht relativ leichtes Spiel hat und sich Techniken aus der Verhaltenstherapie zu Nutze machen kann, wie etwa die systematische Desensibilisierung.

Furcht, Angst, Panik und Phobie

In der Humanpsychologie macht man diese Unterscheidung nicht. Hier werden die Angststörungen unterteilt in die Panikstörung, die generalisierte Angststörung, die soziale Phobie und die spezifische Phobie.

Die Panikstörung wird beschrieben als plötzlich auftretender Angstanfall, der während ca. 10 Minuten an Stärke zunimmt. Sie hat keinen unmittel­baren Reiz- oder Situationsbezug, kommt quasi aus dem Nichts. Körperlich zeigen sich Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Atemnot, Enge im Hals, Schmerzen und Enge in der Brust, Übelkeit und Schwindel. Der Betroffene hat akute Angst zu sterben. Es ist anzunehmen, dass der Hund sich ähnlich fühlt, wenn er eine Panikattacke erleidet.

Anders ist es bei der generalisierten Angststörung. Es treten zwar alle körperlichen Ausdrucksformen der Angst auf, aber nie gleichzeitig. Im Gegensatz zur Panikattacke tritt die generalisierte Angststörung also nicht anfallsartig auf, sondern ist ein unter­schwelliger Dauerzustand (treuen Wuff-Lesern ist das „Dönertier“ mit seiner ständigen Angst, der Himmel könnte ihm auf den Kopf fallen, bekannt). ­Menschen mit generalisierter Angst­störung können nicht angeben, wovor sie eigentlich konkret Angst haben, ­sondern äußern eine starke Besorgtheit.

Beim Menschen ist des Weiteren die soziale Phobie beschrieben, bei der der Betroffene Angst vor Situationen hat, in denen er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Zuletzt gibt es noch die spezifische Phobie, die Furcht vor umschriebenen Reizen oder ­Situationen (Höhenangst, Platzangst etc). Bei ­Hunden kennen wir zum Beispiel die Phobie vor Mülltonnen, Autos etc.

Da muß er durch? Oder bloß kein Stress?

Wie viel Stress ist denn nun eigentlich okay? Darüber streitet sich die Hundewelt. „Da muss er durch!“ oder „Bloß kein Stress!“, diesen zwei extremen Standpunkten begegnet man immer wieder. Auf der einen Seite wird Hunden oft sehr viel zugemutet, sie werden mit ihrem Stress alleine gelassen und müssen schauen, wie sie damit zurecht­kommen. Auf der anderen Seite gibt es die Tendenz, jeglichen Stress bei Hunden zu vermeiden, sie werden von Welpenbeinen an in Watte gepackt und lernen nie, sich mit Stress, Furcht oder Angst auseinanderzusetzen. Wie soll ein Hund lernen, damit umzugehen, wenn er nie erfährt, dass er solche Situationen bewältigen und mit einem guten Gefühl aus der Situation herausgehen kann?

Wie so oft liegt also die Wahrheit auch hier in der Mitte. Entscheidend ist eben, dass der Stress nicht zum Dauerzustand wird und für das Tier zu bewältigen ist. Gelegentlicher Stress beflügelt Geist und Körper, Dauerstress hemmt und macht krank. Bewältigt der Hund die Bedrohung, die durch den Stressor entsteht, reagiert der Körper mit Entspannung. Eine wichtige Funktion übernimmt dabei der Hippocampus im Gehirn. Zum einen ist er daran beteiligt, den weiteren Ausstoß von Stresshormonen zu zügeln, zum anderen spielt er eine zentrale Rolle im Belohnungssystem des Gehirns. Als ein Abbauprodukt in der Entspannungsreaktion entstehen Endorphine, eine Art körpereigenes Morphium. Der Hund fühlt sich wohl und das Belohnungszentrum in seinem Gehirn registriert: Alles richtig gemacht! Das nächste Mal wird eine ähnliche Situation für ihn nicht mehr so bedrohlich wirken. Entscheidend hierfür ist aber, dass er mit einem guten Gefühl aus der ­Situation geht, weil er sie meistern kann. Der Mensch spielt hier eine wichtige Rolle: er sollte seinen Hund einschätzen können, sollte wissen, wie viel er ihm zumuten kann und womit er zurechtkommt. Sicherlich ist das Maß an „verträglichem Stress“ bei einem sehr labilen Hund ein anderes als bei einer stabilen Frohnatur.

Streß beginnt im Mutterleib

Es sind aber nicht nur Ereignisse im Hier und Jetzt, die unsere Stressempfindlichkeit und die unserer Hunde beeinflussen. Auch Stress im Mutterleib hinterlässt bereits negative Spuren. Was man bei anderen Tierarten schon seit den 1950er Jahren weiß, nämlich dass Ratten von Rattenmüttern, die in der ­Trächtigkeit Stress ausgesetzt waren, auch als Erwachsene ängstlicher und weniger stressresistent sind, ist inzwischen auch beim Hund nachgewiesen: Die Ver­haltensentwicklung beginnt bereits im Mutterleib und hängt davon ab, welche Einflüsse die Hündin in der Zeit der Trächtigkeit erfährt.

Dauerstress bei der Hundemama führt bereits in der Gebärmutter zu Veränderungen im ungeborenen Welpengehirn. Jungtiere aus solchen Gegebenheiten kommen unsicher und mit weniger gut ausgebildeten Kompetenzen zur Welt, sie entwickeln keine so guten Stressbewältigungsstrategien, ihre Lern- und Bindungsfähigkeit ist eingeschränkt und auf Außenreize reagieren sie oft unpassend, also entweder mit Ängstlichkeit und Rückzug oder mit unangemessener Aggressivität. Sie haben somit denkbar ungünstige Startbedingungen, die man nur mit viel Mühe, manchmal auch gar nicht in richtige Bahnen lenken kann. Das so oft gehörte „der ist ja noch jung, da ist noch alles drin, wir haben ja noch die ganze Prägephase vor uns“ stimmt also nur bedingt.

Übrigens ist die Forschung heute noch weiter als in den 1950er Jahren: nicht nur die direkten Nachkommen von gestressten Müttern sind stressan­fälliger als der Nachwuchs von „gechillten“ Müttern, sondern sogar wiederum deren Nachkommen tragen eine erhöhte Stressanfälligkeit in sich. Dank epi­genetischer Einflüsse wird diese Eigenschaft an weitere Generationen weitergegeben.

Hat die Mutter in der Trächtigkeit Stress, wird das Stresshormon Cortisol aus ihrer Nebennierenrinde ausgeschüttet. Dieses fettlösliche Hormon ist plazenta­gängig, das heißt, es kann in die Welpen gelangen. Und dort hinter­lässt es Spuren. Die Veränderungen in der Verhaltensentwicklung, die der Welpe vorgeburtlich erfährt, sind also nicht durch Lernerfahrungen bedingt, sondern laufen auf hormoneller Ebene ab. Dies passiert vor allem im letzten Drittel der Trächtigkeit, die beim Hund normalerweise 63 Tage dauert. Die Folgen sind fatal, da sie sich direkt auf das Stresszentrum der Welpen auswirken. Denn das Stresszentrum im Welpenhirn wächst mit seinen Aufgaben, sprich, je mehr Kortisol über die Mutter darauf einwirkt, desto größer und reaktiver wird es. Und das bleibt ein Hundeleben lang so.

Dieses Stresszentrum im Gehirn der Welpen hat wiederum direkte Verbindungen zur Nebenniere, die die Stresshormone produziert. Das sind wiederum die Hormone Cortisol ­(Nebennierenrinde) und Adrenalin und Noradrenalin (Nebennierenmark). Diese beiden Stresshormonsysteme bleiben ein Hundeleben lang leichter erregbar als bei Hunden, die diesen vorgeburt­lichen Einflüssen nicht ausgesetzt waren. Hunde mit solch einer Vorgeschichte reagieren also unter Umständen ihr Hundeleben lang viel heftiger auf kleinste Stressoren, die für einen Hund nicht der Rede wert sind, wenn er diese vorgeburtlichen Einflüsse nicht hatte.

Es sind aber nicht nur Ereignisse im Hier und Jetzt, die unsere Stressempfindlichkeit und die unserer Hunde beeinflussen. Auch Stress im Mutterleib hinterlässt bereits negative Spuren. Was man bei anderen Tierarten schon seit den 1950er Jahren weiß, nämlich dass Ratten von Rattenmüttern, die in der ­Trächtigkeit Stress ausgesetzt waren, auch als Erwachsene ängstlicher und weniger stressresistent sind, ist inzwischen auch beim Hund nachgewiesen: Die Ver­haltensentwicklung beginnt bereits im Mutterleib und hängt davon ab, welche Einflüsse die Hündin in der Zeit der Trächtigkeit erfährt.

Dauerstress bei der Hundemama führt bereits in der Gebärmutter zu Veränderungen im ungeborenen Welpengehirn. Jungtiere aus solchen Gegebenheiten kommen unsicher und mit weniger gut ausgebildeten Kompetenzen zur Welt, sie entwickeln keine so guten Stressbewältigungsstrategien, ihre Lern- und Bindungsfähigkeit ist eingeschränkt und auf Außenreize reagieren sie oft unpassend, also entweder mit Ängstlichkeit und Rückzug oder mit unangemessener Aggressivität. Sie haben somit denkbar ungünstige Startbedingungen, die man nur mit viel Mühe, manchmal auch gar nicht in richtige Bahnen lenken kann. Das so oft gehörte „der ist ja noch jung, da ist noch alles drin, wir haben ja noch die ganze Prägephase vor uns“ stimmt also nur bedingt.

Übrigens ist die Forschung heute noch weiter als in den 1950er Jahren: nicht nur die direkten Nachkommen von gestressten Müttern sind stressan­fälliger als der Nachwuchs von „gechillten“ Müttern, sondern sogar wiederum deren Nachkommen tragen eine erhöhte Stressanfälligkeit in sich. Dank epi­genetischer Einflüsse wird diese Eigenschaft an weitere Generationen weitergegeben.

Hat die Mutter in der Trächtigkeit Stress, wird das Stresshormon Cortisol aus ihrer Nebennierenrinde ausgeschüttet. Dieses fettlösliche Hormon ist plazenta­gängig, das heißt, es kann in die Welpen gelangen. Und dort hinter­lässt es Spuren. Die Veränderungen in der Verhaltensentwicklung, die der Welpe vorgeburtlich erfährt, sind also nicht durch Lernerfahrungen bedingt, sondern laufen auf hormoneller Ebene ab. Dies passiert vor allem im letzten Drittel der Trächtigkeit, die beim Hund normalerweise 63 Tage dauert. Die Folgen sind fatal, da sie sich direkt auf das Stresszentrum der Welpen auswirken. Denn das Stresszentrum im Welpenhirn wächst mit seinen Aufgaben, sprich, je mehr Kortisol über die Mutter darauf einwirkt, desto größer und reaktiver wird es. Und das bleibt ein Hundeleben lang so.

Dieses Stresszentrum im Gehirn der Welpen hat wiederum direkte Verbindungen zur Nebenniere, die die Stresshormone produziert. Das sind wiederum die Hormone Cortisol ­(Nebennierenrinde) und Adrenalin und Noradrenalin (Nebennierenmark). Diese beiden Stresshormonsysteme bleiben ein Hundeleben lang leichter erregbar als bei Hunden, die diesen vorgeburt­lichen Einflüssen nicht ausgesetzt waren. Hunde mit solch einer Vorgeschichte reagieren also unter Umständen ihr Hundeleben lang viel heftiger auf kleinste Stressoren, die für einen Hund nicht der Rede wert sind, wenn er diese vorgeburtlichen Einflüsse nicht hatte.

Auch Stress ist konditionierbar

John Watson, ein US-amerikanischer Psychologe, der die psychologische Schule des Behaviorismus begründete, zeigte einem Kleinkind (Little Albert) nacheinander eine brennende Zeitung, einen kleinen Affen, einen Hund, eine Ratte, ein Kaninchen, einen Pelzmantel und schließlich sich selbst hinter einer haarigen Nikolausmaske. Nach Auskunft Watsons hatte das Kind nichts von dem, was man ihm zeigte, zuvor in seinem Leben gesehen. Zuerst rea­gierte es keineswegs ängstlich, sondern griff stets neugierig nach den Dingen. Dann aber übertrug Watson das Grundmuster der Pawlowschen Konditionierung von der Tierpsychologie auf das Kinderexperiment: immer, wenn er dem Baby etwas vorführte, schlug jemand hinter dessen Rücken mit einem Hammer auf eine Eisenstange. Nach zweimaliger Wiederholung weigerte sich Little Albert bereits, die Ratte anzufassen, nach sieben Wiederholungen zeigte er bereits eine massive Furchtreaktion beim Anblick der Ratte. Schließlich zeigte er auch Furcht beim Anblick von der Ratte ähnlichen Reizen, nämlich von Fell (Hase, Hund, Pelzmantel), Baumwollbüscheln und weißen Bärten. Bei aller berechtigten Kritik an Watsons grausamem Experiment, das nicht nur ethisch, sondern auch methodisch sehr umstritten ist, zeigt sich dennoch, was viele Hundehalter wissen: Auch Furcht ist konditionierbar. Wer kann nicht ein Lied von unerwünschten Fehlverknüpfungen singen?

Was tun?

Der Mensch sollte, wenn der Hund Angst hat, auf jeden Fall für ihn da sein und ihn sozial unterstützen. Denn wenn die Bezugsperson des Hundes ­anwesend ist, kommt das Bindungs­hormon ­Oxytocin ins Spiel, das Vertrauen schafft und ein wichtiger Gegenspieler der Stresshormone ist. Der „hormonelle ­Sozialkleber“ wird bereits beim Blickkontakt mit dem Hund, aber auch bei Berührungen gebildet, wenn eine Bindung besteht. Darum ist es so wichtig immer wieder darauf hinzuweisen, dass der häufig gegebene Ratschlag, den Hund zu ignorieren, wenn er Stress oder Angst hat, nicht nur falsch, sondern auch Gift für die Mensch-Hund-Beziehung ist. Hunde, die gelernt haben, dass ihnen die Unterstützung des Menschen hilft, werden diese sogar aktiv ein­fordern.

 

So zum Beispiel meine Beaglehündin Andra, die mich vor ein paar Jahren sehr überraschte. Bis dahin war sie noch nie auf die Idee gekommen, auf einen Tisch zu springen – ich konnte sogar mein Essen auf dem Couchtisch ­stehen lassen und das Haus verlassen, es stand danach immer noch unangetastet dort, wo ich es hingestellt hatte. Aber: ­Wetterfrösche waren gestern, Wetterbeagles sind heute! Andra ist so ein Wetterbeagle, denn an ihrer (Stress-)Reaktion merke ich lange, bevor es tatsächlich da ist, dass ein Gewitter im Anflug ist. An diesem Tag beachtete ich sie aber nicht besonders, weil ich am Tisch saß und arbeitete. Mir zu Füßen lag das ­Dönertierchen, sodass dieser Platz besetzt war. Und was tat das schlaue ­Beaglechen? Es sprang mit einem großen Satz auf den Tisch und rollte sich dort so zusammen, dass ihr Rücken an meinem Unterarm lag – mit einer Selbstverständlichkeit, als hätten wir das schon immer so gemacht. Ich musste erst einmal fassungslos laut lachen, bis mir klar wurde, dass ihr durch den Anmarsch des Gewitters keine andere Möglichkeit blieb, um sich körperliche Nähe zu verschaffen. Ich schmunzelte weiter vor mich hin und beide überlebten wir auch dieses Gewitter gemeinsam am/auf dem Küchentisch.

 

Was hilft neben der sozialen Unter­stützung gegen Stress? Auch andere Hormone und Botenstoffe haben den Stress­hormonen etwas entgegenzu­setzen. Zum Beispiel das männliche Sexualhormon Testosteron: es wirkt angstlösend und macht selbstbewusst. Einen unsicheren und zu Stress und Angst neigenden Hund sollte man, sofern keine medizinische Notwendigkeit besteht, keinesfalls kastrieren. Denn nimmt man aus dem Gleichgewicht der Stress- und Sexualhormone das Testosteron oder Östrogen heraus, hat das Stresshormon Cortisol freie Bahn – die Stressanfälligkeit wird sich verschlimmern.

 

Ein weiterer hormoneller Gegenspieler der Stresshormone ist das sogenannte Glückshormon Serotonin, das man über die Fütterung beeinflussen kann. Es wird im Gehirn aus der Aminosäure Tryptophan gebildet, die zum Beispiel in Lamm vermehrt enthalten ist, die aber auch als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich ist. Dem Stress wirkt aber auch die „Selbstbelohnungsdroge“ Dopamin entgegen, ein weiterer Botenstoff aus dem Nebennierenmark, der immer dann gebildet wird, wenn man eine Aufgabe löst. Umgekehrt sinkt bei langfristigem Stress der Dopaminspiegel. Clickertraining, das Lösen von Intelligenzspielen oder auch jegliche Form von Nasen­arbeit sind hingegen wahre Dopamin-Feuer­werke. Sie machen selbstbewusst, geben ein gutes Gefühl und wirken der ­Stressanfälligkeit nicht nur in der konkreten Situation, sondern auch lang­fristig entgegen.

 

Wenn ich an Dopamin denke, denke ich an mein Dönertierchen auf einem Fährten-Workshop, auf dem sie eigentlich nur als Statistin dabei war, weil Motivation und Günes ja schwer vereinbar waren. Nachdem die Beagles ihren Part erledigt hatten, zeigte die Referentin auf das Dönertier und meinte „und jetzt die!“. Meine Erklärungen, dass dieser Hund sich sicherlich nicht für so etwas begeistern lässt und Leckerchen für absolut überflüssig hält, wurden in den Wind geschlagen und dem Döner­tier ein Geschirr verpasst. „Na gut, sie wird Euch schon überzeugen, dass derlei Veranstaltungen nicht ihre Party sind, Ihr werdet schon sehen …“, dachte ich. Da stand sie nun am Anfang einer 20 Meter geradeaus-Fährte und war ein Bild des Elends: die Rute zwischen die Beine geklemmt, ganz klein und sehr arm. Aber sie lief irgendwann los und kapierte offenbar, was wir von ihr ­wollten. Auf der gesamten Fährte fraß sie kein Leckerchen und auch den Jackpot am Ende verschmähte sie erwartungsgemäß, aber die Fährte arbeitete sie trotzdem mit beinahe wissenschaftlicher Akribie ab. Alles andere als erwartungsgemäß war ihre Haltung bei der Arbeit: die Rute ging stetig weiter nach oben ­(ausnahmsweise nicht unterhalb, sondern oberhalb des Rückens) und man konnte ihr förmlich dabei zuschauen, wie sie wuchs. Sie wuchs nämlich im wahrsten Sinne des Wortes über sich hinaus und am Ende der Fährte war sie ein Hund, der stolz und selbstbewusst den Kopf oben trug und mir einen „hast Du gesehen, was ich ganz alleine geschafft habe-Blick“ zuwarf. Die Rute war quasi ein Dopamin-Barometer, das mit jedem geschafften Schritt weiter nach oben ausschlug. Das Schöne am Dopamin ist, dass es nicht nur in der jeweiligen Situation stresslösend wirkt, sondern im „vorauseilenden Gehorsam“ auch einen Effekt auf zukünftige ­Situationen hat.

Düfte und Musik

Auch bestimmte Düfte, wie zum Beispiel Kamille oder Lavendel, sind in Untersuchungen bei Tierheimhunden als stressdämpfend nachgewiesen worden, ebenso wie Musik. Hier waren es vor allem ruhige Klassik oder Balladen. Auch von Hunden, die positiv auf Entspannungs- oder Meditationsmusik reagieren, höre ich immer wieder. Meine legen sich im Auto sofort zur Ruhe, wenn der beruhigende Klang eines Hörbuches erklingt, denn dann wissen sie, dass wir länger unterwegs sind. Auch eine Form der konditionierten Entspannung …

Probieren Sie, was hilft!

Probieren Sie aus, was Ihrem Vierbeiner in stressenden oder ängstigenden Situationen hilft! Geben Sie ihm die Möglichkeit, den Umgang mit Stress zu erlernen, Erfahrungen zu sammeln und auszuprobieren, wie er potenziell stressige Situationen bewältigen und mit einem positiven Gefühl aus ihnen herausgehen kann. Und seien Sie ihm – das ist wahrscheinlich fast der wichtigste Punkt – allzeit ein guter Bindungspartner, auf den er sich verlassen kann, gerade auch, wenn er Angst hat!

Der Hormoncocktail

Es gibt mehrere spezifische Hormone, die in Zusammenhang mit Angst und Furcht vermehrt auftreten. Neben dem (langsamer wirksamen) Cortisol reagieren die Katecholamine wesentlich rascher, wie Sophie Strodtbeck erklärt.

Das der Angst zugrundeliegende Hormon ist das Stresshormon ­Cortisol aus der Nebennierenrinde. Als fettlösliches („lipophiles“) Hormon muss das Cortisol, um zu wirken, erst in die Zelle gelangen. Das dauert etwas. Deutlich schneller sind da die in Stresssituationen sofort wirkenden sogenannten Katecholamine, nämlich die wasserlöslichen („hydrophilen“) Hormone Adrenalin und Noradrenalin aus dem Nebennierenmark.

Akuter Stress: Angst und Flucht

Bei akutem Stress kommt es also ­zunächst zu einer verstärkten Produktion der Botenstoffe Adrenalin, dem Fluchthormon, und Noradrenalin, dem Kampfhormon. Diese hydrophilen Hormone führen also quasi das „Tagesgeschäft“. Sie übernehmen Funktionen wie die Steuerung des Stoffwechsels und das schnelle Reagieren auf Stresssituationen, wohingegen lipophile Hormone längerfristiger wirken. Unmittelbar, nämlich innerhalb von Millisekunden, zeigen sich die physiologischen Reaktionen von Adrenalin und Noradrenalin: Die Herzfrequenz und das Herzminutenvolumen sowie die Durchblutung von Muskulatur und Gehirn steigen an. Die Bronchien werden erweitert und ermöglichen eine erhöhte Sauerstoffaufnahme. Eine erhöhte Gerinnungsfähigkeit des Blutes sowie ein Anstieg der Lymphozyten, bestimmter Entzündungszellen, beschleunigen die Wundheilung (falls es zur Verletzung kommen sollte). Der vor allem aus der Leber freigesetzte Zucker liefert Energie für die Muskelarbeit. Durch diese Regulationsmechanismen kann der Organismus auf die „Fight-or-Flight-Reaktion“ zurück­greifen, die im Zweifelsfall das Überleben sichert.

Länger dauernde Belastung

Dauert die Belastung länger an, folgt das Stresshormon aus der Neben­nierenrinde, das Cortisol, das wesentlich träger in seiner Reaktion ist und sich erst nach einigen Minuten nachweisen lässt. Es bewirkt im ­Körper eine große Zahl von Anpassungs­reaktionen an die Belastung: Eiweiß aus der Muskulatur wird abgebaut und in Energie umgewandelt, der Blutzuckerspiegel wird dadurch erhöht, um Energie bereitzustellen. Eine gewisse Zeit lässt sich der Stress so in Schach halten, aber irgendwann sind die Anpassungsmöglichkeiten erschöpft, das System bricht zusammen: das Immunsystem wird unterdrückt, es besteht eine erhöhte Gefahr für Infektionen, Fortpflanzung und Wachstum bleiben auf der Strecke.

Energiemobilisatoren

Beide Hormongruppen haben also gemeinsam, dass sie den Stoffwechsel ankurbeln und für die Bereitstellung von Energie sorgen. Denn Energie wird dringend benötigt, wenn man sich in einer Stresssituation befindet und diese bewältigen muss. Der Blutdruck steigt, Zuckerreserven aus der Leber werden mobilisiert, die Zuckerneu­bildung aus Eiweißen und Fetten wird in Gang gesetzt. Außerdem wird die Muskulatur besonders gut durchblutet und der Muskeltonus steigt an, was der ­Vorbereitung auf einen möglichen Kampf dient. Tatsächlich bekommen dadurch auch Hunde „Rücken“, wenn sie sich im Dauerstress befinden, und bei vielen Hunden kann man den Stress so direkt fühlen, wenn man sie anfasst.